Buslinie Traunstein- Chieming

Von Traunstein mit dem Postbus an den Chiemsee

Nach erfolgloser Projektierung seines Bahnbauvorhabens von Traunstein nach Chieming stellte der Gutsbesitzer Eugen Rosner am 27. Juli 1906 beim Magistrat der Stadt Traunstein das Projekt einer “Automobilverbindung“ Traunstein – Chieming – Seebruck mit eventueller Verlängerung bis Rimsting vor. Dabei verwies er auf die gute Akzeptanz der seit dem 1. Juni 1905 von Bad Tölz nach Lenggries und Bichl verkehrenden Postbussen, die die traditionsreichen Postkutschen abgelöst hatten. Diese waren bislang eingesetzt für den Personentransport im nicht von der Bahn erschlossenen ländlichen Raum, bis um 1900 die Motorisierung einsetzte und ab 1905 die Kraftpost mit ihren Fahrzeugen die Postkutschen ersetzte.

Bereits am 18. August fand unter Vorsitz des Königlichen Regierungsrates Scherer im Saal des Bezirksamtes Traunstein eine Versammlung “zum Zweck der Erreichung einer staatlichen Automobilfahrt behufs Post- und Personenbeförderung zwischen Traunstein – Erlstätt – Chieming – Seebruck“ statt. Teilnehmer waren Vertreter des Oberpostamtes München, des Magistrats der Stadt Traunstein, der Gemeinden Seebruck, Chieming, Erlstätt, Wolkersdorf, Tabing, Hart, Oberhochstätt, Truchtlaching und Seeon sowie als Privatinteressent der Gutsbesitzer Eugen Rosner, der sich gemeinsam mit dem Gutsbesitzer Baron Leo Czermak aus Ising um diese Verbindung bemühte.

Nach eingehender Beratung wurden Beschlüsse gefasst, die den zuständigen Gemeindegremien zur Annahme und Genehmigung der von den Gemeinden zu leistenden Garantien vorgelegt werden sollten. Im Falle einer Einigung wurde die Realisierung der Busverbindung für das Jahr 1907 in Aussicht gestellt. Geplant waren für die Strecke von Traunstein nach Seebruck täglich im Sommer drei Fahrten, während der Fremdenhauptsaison vier Fahrten, im Winter zwei Fahrten hin und zurück. Außerdem sollten bei Bedarf Sonderfahrten mit Beförderung von je 30 Personen eingerichtet werden. Für den Betrieb wurden zwei Busse, zwei Anhänger und ein Reservebus als erforderlich betrachtet. Die anwesenden Gemeindevertreter begrüßten das Projekt in der Hoffnung auf die Realisierung im Folgejahr.

Wenige Tage später fand in Prien eine Versammlung der Chiemseegemeinden des Bezirksamtes Rosenheim statt, in der über eine Post- und Personenbeförderung zwischen Prien und Seebruck beraten wurde. Ziel war eindeutig die Hebung des Fremdenverkehrs in der Chiemseegegend. Die Versammlung endete ohne Ergebnis.

Am 28. August beschloss der Traunsteiner Magistrat – vorbehaltlich der Zustimmung der Gemeinden – probeweise zunächst für ein Jahr seine Teilnahme an der Buslinie und die Übernahme der nicht durch Betriebseinnahmen gedeckten Kosten des Wagenparks und der Motorhallen in Traunstein und Seebruck gemäß dem vom Bezirksamt vorgeschlagenen Umlageschlüssel. Dabei gab der Magistrat die Anregung, die vorwiegend geschäftlich interessierten Gasthöfe in Chieming und Seebruck angemessen an den Kosten zu beteiligen. Eine Beteiligung an den Kosten einer Güterbeförderung wurde ausgeschlossen.

Die auf ein Jahr beschränkte probeweise Garantie der Stadt Traunstein wurde vom Königlichen Oberpostamt nicht anerkannt und eine Änderung der Beschlussfassung dahingehend verlangt, die Garantie für gesamte Betriebsdauer zu übernehmen. Sollte sich nach Ablauf von ein bis zwei Betriebsjahren die Unrentierlichkeit der Linie erweisen, könnte eine Erhöhung des Fahrpreises von fünf auf sechs Pfennige nach vorherigem Antrag der Garantiezeichner erfolgen oder aber die Stecke würde eingestellt werden. Empfohlen wurde die sofortige Einführung des höheren Fahrpreises. Eine Ablehnung dieses Vorschlages hätte das Ende des gesamten Projektes zur Folge.

In mehreren Sitzungen wurde im Magistratskollegiums Traunstein über das Projekt beraten. Inzwischen waren neue Vorschläge der Chiemseegemeinden hinzugekommen, die ein Tarifsystem unter Einschluss der Schiffs- und Bahnverbindungen zwischen Prien und Traunstein umfassten. Der Magistrat von Traunstein erklärte sich unter bestimmten Bedingungen zu einer zwei- bis dreijährigen Garantieleistung bei gleichzeitiger Reduzierung der Fahrten nach Chieming und Seebruck bereit. Diese Vorschläge wurden vom Oberpostamt und vom bayrischen Verkehrsministerium verworfen mit der Folge des vorläufigen Projektendes. Hinzu kam, dass die Gemeinden des Rosenheimer Bezirks jede Garantieleistung ablehnten.

Bei einer Besprechung in München im Februar 1907 stellte die Oberpostdirektion für das Jahr 1908 die Einrichtung einer Verbindung Traunstein – Chieming – Seebruck ohne Garantieleistung in Aussicht. In der Zwischenzeit beriet der Magistrat verschiedentlich über das Projekt. Mit dem Dampfschiffbesitzer Ludwig Feßler wurde Einigung erzielt bezüglich der Fahrpreisgestaltung und Kostenumlage eines Rundreiseverkehrs an Land und auf dem Chiemsee.

Im März 1908 wurde dann vom Staatsministerium München die Zustimmung zur Motorpostlinie Traunstein – Chieming – Seebruck erteilt und für 1909 die Sicherung des Sommerfahrplans für diese Strecke gewährleistet. Voraussetzung war allerdings die Errichtung einer Motorwagenhalle in Traunstein und einer Abstellhalle in Seebruck. Die Oberpostdirektion bot die Bereitstellung von Bauplänen und die Bauüberwachung für die Motorhalle an. An den Kosten wollte sich jedoch nur die Gemeinde Seebruck mit 200 Mark beteiligen, die übrigen Gemeinden und auch der Bezirk Traunstein lehnten einen Kostenzuschuss ab; den Restbetrag von 11.800 Mark sollte die Stadt Traunstein übernehmen.

Im Mai erklärte sich dann der Brauereibesitzer Josef Sailer bereit, auf seinem Anwesen die Motorwagenhalle zunächst für ein Jahr bereitzustellen mit der Option auf Verlängerung um weitere zwei Jahre gegen entsprechende Mietzahlung. Die Kosten für Strom und Wasser wollte die Stadt übernehmen. Den Hinterstellungsraum in Seebruck wollte der dortige Posthalter zur Verfügung stellen. Nach diesem Vorschlag, der dem Verkehrsministerium zur Würdigung unterbreitet wurde, hatte man in der Bevölkerung wieder Hoffnung auf eine baldige Inbetriebnahme der Buslinie. Doch weitere Verhandlungen um Detailfragen verzögerten den Betrieb der Buslinie weiterhin.

Am 24. April 1909 erfolgte endlich die Genehmigung der Motorpostlinie zwischen Traunstein und Seebruck durch das Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten. Der Betrieb mit nur einem Motorwagen erfolgte auf Rechnung des Staates unter bestimmten Auflagen. Die Betriebsleitung hatte das Postamt Traunstein, die Wartung sollte durch regelmäßigen Austausch mit einem anderen Motorwagen in einer posteigenen Werkstatt in Trostberg durchge-führt werden. In Seebruck war der Hinterstellungsraum bereitzustellen und eine Tankstelle in Traunstein vorzuhalten. Die Betriebszeit wurde zunächst für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September, in den Folgejahren vom Samstag vor Pfingsten bis 30. September festgelegt. Es gab täglich vier Fahrten zwischen Traunstein und Seebruck, von denen zwei über Chieming geleitet wurden. Der Fahrplan wurde so gestaltet, dass die Busse in Seebruck direkten Anschluss an die Dampfschiffe hatten und somit eine Chiemseerundfahrt zu den Inseln und bis Prien-Stock und zurück möglich war.

Die Fahrkartenausgabe, auch im Vorverkauf, sollte am Bahnhof Traunstein und in Seebruck am Postschalter, bei den übrigen Haltestellen im Bus durch den Fahrer erfolgen. Fahrpläne lagen zusätzlich unentgeltlich bei den Postanstalten in Chieming und Ising bereit. Sonderfahrten konnten beim Postamt Traunstein gegen Vorauszahlung für sämtliche Plätze bestellt werden. Diese Regelung wurde auch über das Ende des Königsreichs Bayern hinaus beibehalten. Am 21. März 1919 war aus dem Reichspostamt das Reichspostministerium geworden. Am 1. April 1920 ging das Postwesen von Bayern auf das Reich über. In München wurde eine besondere Abteilung des Reichspostministeriums eingerichtet. In der Zwischenzeit waren neue Buslinien entstanden, u.a. von Seebruck über Eggstätt nach Endorf. In einer Mitteilung der Oberpostdirektion München vom 21. Mai 1920 wurden Sonderfahrten auf Bestellung angeboten, soweit Busse zur Verfügung stehen würden.

Weitere Busverbindungen von Traunstein in das Umland und eine Abendverbindung ab 18 Uhr nach Chieming wurden im Januar 1928 von der Stadt Traunstein und dem Verkehrsverbund Chiemgau-Traunstein bei der Oberpostdirektion beantragt. Für die Strecke nach Chieming wurden für die Sommermonate mehr tägliche Fahrten, eine Fahrpreisermäßigung und die Weiterführung der Linie von der bisherigen Endstation beim Oberwirt bis zum Landungssteg gefordert. Bisher war es dem guten Willen des Busfahrers überlassen, “ob ihm diese Fahrt bis zum See gerade passt oder nicht“. Damit sollte auch dem Oberwirt ein Einfluss auf die Fahrer entzogen werden.

Im März 1928 wiederholte der Traunsteiner Magistrat bei der Oberpostdirektion München den Antrag, im Interesse des Fremdenverkehrs und der einheimischen Bevölkerung für die Sommermonate Juni bis September eine Reduzierung der Tarife auf den Strecken Traunstein – Chieming und Traunstein - Seebruck zu genehmigen. Die Gemeinden erklärten sich bereit, etwaige Betriebsmindereinnahmen mit einem bestimmten Anteil zu übernehmen: Seebruck mit 15 %, Tabing mit 10 %, Chieming mit 30 %. Nur Erlstätt lehnte eine Beteiligung ab, die restlichen 45 % wurden von der Stadt Traunstein übernommen.

Im Juli 1928 gab es Beschwerden über den “Abtransport von Fahrgästen ab Chieming (Strand) an schönen Sonn- und Feiertagsabenden“. Der Stadtrat Traunstein regte beim Postamt Traunstein in einem vom ersten Bürgermeister Dr. Vonficht unterzeichneten Schreiben folgende Verbesserungen an:

1. Ausgabe von Fahrkarten im Kiosk neben dem Landungssteg in Chieming jeweils für den nächsten eintreffenden Wagen, damit die zur Heimfahrt sich meldenden Fahrgäste nach der Reihefolge ihrer Meldung mitkommen können und nicht die Stärkeren im Kampf immer wieder die Schwächeren oder Anständigeren zurückdrängen. Es kam letzten Sonntag vor, dass ältere Frauen mehrere Stunden warten mussten, während junge Burschen, ohne zu warten, Aufnahme im nächsten Wagen fanden.

2. Bereitstellung von mehr Wagen als bisher und wiederholtes Fahren mehrerer Wagen. Letzten Sonntag sollen die Wagen, die um 18 Uhr abgingen, nur noch einmal zurückgekommen sein; dann wurde nur noch mit einem Wagen hin und her gefahren.

3. Mitteilung an die Wartenden, wann sie ungefähr mit der Abfahrtszeit des Wagens zu rechnen haben, für den sie vorgemerkt sind und für den sie Karten erhalten haben. Letzten Sonntag mussten zahlreiche Fahrgäste mehrere Stunden in völliger Unklarheit stehend warten, da sie bei dem bestehenden Eroberungssystem es nicht einmal wagen konnten, die nächste Bank aufzusuchen.

4. Verbot der Aufnahme von heimfahrenden Fahrgästen beim Oberwirt bei der Rückfahrt des Wagens von Traunstein zum Landungssteg. Es ist wiederholt vorgekommen, dass der am Strand sehnsüchtig erwartete Wagen bereits gefüllt mit Gästen vom Oberwirt ankam, was begreiflichen Unwillen bei den Wartenden erregte. Der Oberwirt versucht damit offenbar, seinen früheren viel besprochenen auch von den oberen Dienststellen missbilligten Einfluss auf die Wagenführer auf diese Weise wieder zurück zu erobern und dadurch die Badegäste zu zwingen, sich in seinen Schutz zu begeben.

5. Bereitstellung einiger Mann grüner Polizei an schönen Sonntagabenden von 18 bezw. 18 ½ Uhr ab zur Unterstützung der Wagenführer, die offenbar allein den sich dort abspielenden rücksichtslosen Kämpfen nicht mehr gewachsen sind. Das Bezirksamt Traunstein wird sicherlich einem Ansuchen der Postverwaltung in dieser Richtung stattgeben.

Bei der begreiflichen Verstimmung über die Vorkommnisse, die ja auch in der Presse bereits zum Ausdruck kamen (zahlreiche Fahrgäste mussten mit ihren Rückfahrkarten in der Tasche zu Fuß nach Hause gehen), und bei der Eile, die hier geboten erscheint, lege ich Abdruck des gegenwärtigen Schreibens der Oberpostdirektion München vor. Abdruck übermittle ich auch gleichzeitig dem Bezirksamt Traunstein, da bei dem allgemeinen Geraufe, das sich dort in den hässlichsten und rücksichtslosesten Formen namentlich gegen ältere Frauen und Kinder abspielt, Verletzungen zu befürchten sind.

Die Oberpostdirektion München reagierte zwei Wochen später und sicherte die Bereitstellung weiterer Busse und eine entsprechende Einteilung der Fahrten zu. Die Busse sollten zur Abfahrt ausnahmslos am Landungssteg und nicht mehr beim Oberwirt Aufstellung nehmen. Die Einrichtung einer Fahrkarten-verkaufsstelle am Landungssteg in Chieming wurde für nicht notwendig erachtet, da die meisten Fahrgäste bereits in Traunstein die billigeren Rückfahrkarten gelöst hätten. Für eine Überwachung dieser Regelung sollte das Postamt Traunstein Sorge tragen.

 

Ein Beispiel für die Kostenbeteiligung der an der Buslinie liegenden Gemeinden liefert die Kraftpost-abrechnung der Oberpostdirektion München vom 26. Januar 1929 für das Jahr 1928 an den Stadtrat Traunstein.

 

In den folgenden Jahren versuchte die Stadt Traunstein immer wieder, Busverbindungen über die Chiemseegemeinden hinaus in das Umland und weiter bis nach Wasserburg zu schaffen und schlug dazu auch die Einbindung privater Busunternehmen vor. Diese Konzessionen konnten aber nur mit Zustimmung der beteiligten Gemeinden erteilt werden, die jedoch auch nach verschiedenen von der Oberpostdirektion veranstalteten Probefahrten eine nach ihrer Einschätzung zu hohe Kosten-beteiligung ablehnten.

Nach der kriegs- und inflationsbedingten Stagnation entwickelte sich die Kraftpost in den frühen 1930er Jahren weiter, der ländliche Raum wurde mit mehr Kraftpostlinien und täglich mehr Umläufen erschlossen. Auf der Strecke nach und von Chieming erhöhten sich die täglichen Verbindungen, allerdings nahm der Anteil des nicht kostendeckenden Verkehrs mit Schüler- und Sozialtarifen ständig zu.

Bis Mitte der 1950er Jahre war die Kraftpost mit über 4000 posteigenen Omnibussen das größte Busunternehmen Europas. Durch den wachsenden Individualverkehr und auch strukturell bedingt begann Ende der 1950er Jahre der wirtschaftliche Niedergang der Postbusse. Als gemeinwirt-schaftliches Unternehmen war die nach dem Krieg aus der Reichspost entstandene Deutsche Bundespost aber zur Aufrechterhaltung auch unwirtschaftlicher Linien verpflichtet.

1971 wurden die Bahn- und Postbusse zur Omnibusverkehrsgemeinschaft Bahn/Post zusammengelegt, der Betrieb verblieb jeweils bei der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost. Diese Verkehrsgemeinschaft war Auslöser für den Übergang des Postreisedienstes auf den Bahnbusdienst der Deutschen Bundesbahn. Ziel war es, den öffentlichen Personennahverkehr mit Bussen wirtschaftlicher zu betreiben und bedarfsgerecht auszubauen.

Auf Beschluss des Bundeskabinetts vom 25. Juni 1980 übernahm die Deutsche Bundesbahn zwischen 1981 und 1984 alle von Bahn und Post betriebenen Busdienste. In 19 Regionen wurden auf öffentlich-rechtlicher Grundlage regionalisierte, von der Bahn-Organisation getrennte Busgesellschaften eingerichtet, darunter der Regionalverkehr Oberbayern (RVO). Die Ära der letzten gelben Postomnibusse ging damit auch sichtbar zu Ende.

Karlheinz Schuster

Quellen:

Stadtarchiv Traunstein, Auszüge aus Protokollen und Schriftverkehr des Magistrats Archiv

Freundeskreis Heimathaus Chieming e.V.  

Traunsteiner Wochenblatt vom 21.08.1906, 09.und 11.03.1907, 09.04., 06.und 23.05.1908, 31.05.1909

Traunsteiner Nachrichten vom 23.08.1906, 01.03.1907, 20.05.1908

Volkhard Stern: Achtzig Jahre Kraftpost in Deutschland. In: Archiv für deutsche Postgeschichte, Heft 2/1989, Gesellschaft für Postgeschichte e.V., Frankfurt 1989

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